Kinder in Pflegefamilien

In Deutschland leben rund 75 000 Kinder und Jugendliche in Pflegefamilien in der Vollzeitpflege.1 Dies kann vielfältige Ursachen haben. In vielen Fällen liegen die Ursachen für die Inobhutnahme der Kinder und Jugendlichen bei den leiblichen Eltern. Das kann Drogensucht sein oder eine Gefängnisstrafe. Gleichwohl besteht nicht immer ein Verschulden der leiblichen Eltern. Möglicherweise verstirbt ein Elternteil, das andere Elternteil erkrankt schwer und macht es ihm unmöglich, die eigenen Kinder weiter zu erziehen. In den seltensten Fällen sind die leiblichen Eltern verstorben. In diesem traurigen Falle kommt auch die Adoption durch Adoptiveltern in Frage. Aus ganz unterschiedlichen Gründen kommen Kinder also in Pflegefamilien.

Die Pflegeeltern nehmen das Pflegekind in den meisten Fällen aus ihrer Liebe zu Kindern auf. Manche haben bereits eigene Kinder, anderen ist es nicht möglich, eigene Kinder zu bekommen. Nächstenliebe und der Wunsch, Gutes zu tun, spielt oft zusätzlich eine bestimmende Rolle. In seltenen Fällen bestehen überwiegende Motivationsgründe, die dem Pflegekind nicht zu wünschen sind, wie zum Beispiel die Aufbesserung der Familienkasse durch das Pflegegeld. Aus der Aufnahme des Pflegekinds in die Familie erwächst in fast allen Fällen eine starke Bindung zum Pflegekind, die genauso eng und liebevoll ist wie zu leiblichen Kindern.

Het kind is er nog, Foto: Ytzen [CC BY-SA 4.0, Wikicommons]


Pflegekinder im Erbschaftssteuerrecht

Bedauerlicherweise besteht im Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht2 eine erhebliche Benachteiligung von Pflegekindern gegenüber leiblichen Kindern, Adoptivkindern und Stiefkindern. So führt das Erbschaftssteuergesetz nur Kinder (einschließlich der Adoptivkinder) und Stiefkinder bei der bevorzugten Steuerklasse I in § 15 Absatz 1 Nummer 2 auf. Da die Unterscheidung zwischen Erbschaft und Schenkung hier von untergeordneter Bedeutung ist, spreche ich im Weiteren nur von der Erbschaftssteuer, obgleich beides gemeint ist.

Der Vergleich zu Stiefkindern fällt bei der Erbschaftssteuer besonders ins Auge. Stiefkinder treten in die Familie des Erblassers, also des Stiefvaters oder der Stiefmutter, ein als die leiblichen oder Adoptivkinder des angeheirateten Elternteils. Das kann als kleines Kind passieren, so dass noch eine echte Eltern-Kind-Beziehung zum Stiefelternteil entstehen kann. Aber auch Erwachsene werden zu Stiefkindern des angetrauten Ehepartners, der neu in das Leben des leiblichen Elternteils tritt. In diesem Fall wird bestenfalls eine freundschaftliche Beziehung zwischen Stiefkind und Stiefelternteil entstehen, aber wohl kaum eine innige Eltern-Kind-Beziehung.


Pflegekinder: weder verwandt noch verschwägert

Die angeheiratete Sippschaft ist die Schwägerschaft zum Ehepartner und dessen Familie. Dementsprechend gelten Stiefkinder nach bürgerlichem Recht als verschwägert mit dem Stiefelternteil, aber nicht als verwandt. Die Verwandtschaft besteht ursprünglich allein aufgrund leiblicher Abstammung. Die Adoption ersetzt die Blutsverwandtschaft und schafft ebenfalls ein neues Verwandtschaftsverhältnis. Auch für Kuckuckskinder, die in eine Ehe hineingeboren werden, wird die Vaterschaft des Ehemanns unterstellt, sofern sie nicht bestritten wurde. Für die Besteuerung von Erbschaften der Eltern spielt die Unterscheidung zwischen verwandten und verschwägerten Kindern keine Rolle. Adoptivkinder verlieren ihre Verwandtschaft zur Ursprungsfamilie, sie gewinnen dafür die Verwandtschaft zu den Adoptiveltern. Nach dem Erbschaftssteuerrecht gilt allerdings die Ausnahme, dass die leiblichen Kinder, die adoptiert wurden, weiterhin wie Kinder steuerlich privilegiert von den leiblichen Eltern erben (vgl. § 15 Absatz 1a ErbStG).

Zu Pflegekindern besteht weder eine Verwandtschaft noch eine Schwägerschaft. Es entsteht vielmehr ein zivilrechtlicher Vertrag zwischen Pflegeeltern und Pflegekind, das rechtlich durch den Vormund oder die leiblichen Eltern vertreten wird, nach den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuchs, der sozialrechtlich durch das Jugendamt initiiert und befördert wird. Die hoheitliche Aufgabe der Aufsicht über das Pflegschaftsverhältnis teilen sich Jugendamt, Vormund und Amtsgericht. Während des Pflegschaftsverhältnisses können die Pflegeeltern „vom Vertrag zurücktreten“ und das Pflegekind wieder in die Obhut des Jugendamtes geben. Das passier

t selten, aber es passiert, und kann traumatische Erfahrungen beim Pflegekind auslösen.

 

Sobald das Pflegekind mit Erreichen des 18. Lebensjahrs volljährig wird, löst sich das gesamte rechtliche Konstrukt in Luft auf. Mit der Volljährigkeit steht das Pflegekind aus rechtlicher Sicht alleine in der Welt. In der Realität wird das Pflegekind auch weiterhin in der Familie der Pflegeeltern wie ein eigenes Kind aufgenommen bleiben, nur halt ohne rechtlich abgesicherte Ansprüche.3 In einigen Fällen steht es vor dem Nichts und ist weiterhin auf staatliche Unterstützung angewiesen.


Adoption ist selten eine Lösung

Het kind is er nog, Foto: Dominicus Johannes Bergsma [CC BY-SA 3.0 nl, Wikicommons]

Eine Adoption würde dies ändern. Mit der Adoption wird das Kind leiblichen Kindern vollständig gleichgestellt. Nur ist eine Adoption nicht immer möglich. Sie setzt zumindest eine ein- bis zweijährige Adoptionspflege voraus, während dessen die Rechtsstellung des Kindes weitestgehend die eines Pflegekindes ist. In jedem Fall ist die Zustimmung der leiblichen Eltern zur Adoption erforderlich, die nicht immer zu erlangen ist. Nur in extrem seltenen Fällen kann die Zustimmung der Eltern gerichtlich ersetzt werden, beispielsweise bei fortgesetzter Missachtung des Kindes durch die leiblichen Eltern.

Mit der Volljährigkeit des Pflegekindes bietet sich die Erwachsenenadoption an, der nur noch das jetzt erwachsene Kind selbst zustimmen muss. Mit der Adoption im Erwachsenenalter wird ein zusätzliches Verwandtschaftsverhältnis zu den Adoptiveltern begründet, aber nicht mehr zur gesamten Adoptivfamilie, wie bei einer Kindesadoption. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Adoption nur in wenigen Fällen und auch nicht über die gesamte Zeit der Pflegeelternschaft eine Lösung für die steuerliche Problematik sein kann.


Pflegekinder sind erheblich benachteiligt

Leibliche Kinder, Adoptivkindern und Stiefkindern fallen bei Schenkungen und Erbschaften der Stief-/Eltern in die bevorzugte Steuerklasse I. Dies drückt sich in einem hohen Freibetrag von 400.000 Euro zuzüglich eines altersabhängigen Versorgungsfreibetrags und einem niedrigen Steuersatz aus, der bei 7 Prozent beginnt und bis auf 30 Prozent für Erbschaften über 26 Millionen Euro ansteigt. Bemerkenswert ist, dass Adoptivkinder sowohl für Schenkungen und Erbschaften ihrer neuen Adoptiveltern als auch ihrer leiblichen Eltern in die beste Steuerklasse fallen, obgleich zu den leiblichen Eltern nach der Kindesadoption kein Verwandtschaftsverhältnis mehr besteht.

Pflegekinder werden bei Anfall von Schenkungen und Erbschaften der Pflegeeltern wie fremde Dritte behandelt. Das bedeutet, dass Pflegekinder die ihnen von den Pflegeeltern zukommenden Schenkungen und Erbschaften gemäß der Steuerklasse III zu versteuern haben. Für die schlechteste Steuerklasse liegt der Freibetrag nur noch bei 20.000 Euro und die Steuersätze beginnen wesentlich höher bei 30 Prozent und steigen bis auf 50 Prozent. Offenkundig handelt es sich um eine ganz erhebliche Benachteiligung.

Betrachten wir ein Beispiel. Angenommen die Pflegeeltern versterben zusammen bei einem Unfall und vermachen ihrem schon erwachsenen Kind eine Erbschaft im Werte von 1 Million Euro. Das leibliche Kind müsste auf den Freibetrag von 400.000 Euro keine Steuern zahlen. Auf den Restbetrag von 600.000 Euro entfielen 15 Prozent Erbschaftssteuern, also 90.000 Euro. Das vormalige Pflegekind hätte lediglich einen Freibetrag von 20.000 Euro. Es müsste also 30 Prozent von 980.000 Euro als Erbschaftssteuer abführen, was 294.000 Euro und somit mehr als dem Dreifachen der Erbschaftssteuer des leiblichen Kindes entspricht.


Petition erfolglos

Dies ist eine hanebüchene Ungerechtigkeit gegenüber Pflegekindern. Es ist ja nicht so, dass Pflegekinder ansonsten einen besonders tollen Start ins Leben hätten. In den meisten Fällen haben sie ein, wenn nicht mehrere Traumata im Zuge der Trennung von ihren leiblichen Eltern durchlitten. Eine Förderung oder gar ein Erbe ist von ihren leiblichen Eltern so gut wie nie zu erwarten. Und mit dem 18. Lebensjahr sind sie auf die Gutmütigkeit ihrer Pflegefamilie angewiesen, die ohne Weiteres entzogen werden kann.

Ich habe daher eine Petition beim Deutschen Bundestag eingereicht mit dem Ziel, diese Ungerechtigkeit abzuschaffen.4 Mein Vorschlag ist simpel: Gleichstellung der Pflegekinder und ihrer Kinder mit leiblichen Kindern, Stiefkindern und Adoptivkindern und deren Kindern bei der Schenkungs- und Erbschaftssteuer. Hierzu hätte es lediglich kleinerer Anpassungen bedürft.5 Leider konnte ich den Petitionsausschuss nicht überzeugen. 18 Monate später habe ich die Empfehlung des Ausschusses und den gleichlautenden Beschluss des Bundestages erhalten, das Petitionsverfahren abzuschließen, also nicht weiter zu verfolgen.6


Schlechterstellung von Pflegekindern ist verfassungskonform

Was sind die Gründe? Der Petitionsausschuss führt zunächst an, dass das Steuerrecht auf dem Verwandtschafts- und Schwägerschaftsverhältnis zum Erblasser fußt. Diese werden im Bürgerlichen Gesetzbuch definiert. Die günstigere Besteuerung für leibliche Kinder, Adoptivkinder und Stiefkinder sei Ausfluss des Schutzes von Ehe und Familie nach Artikel 6 des Grundgesetzes.

Der Petitionsausschuss stellt demnach am Anfang seiner Empfehlung klar, was die Grundlagen der derzeitigen steuerlichen Gesetzgebung sind, nämlich das Bürgerliche Gesetzbuch und das Grundgesetz. Die derzeitige Steuergesetzgebung hatte in der bisherigen Rechtsprechung auch Bestand. Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil (Az. II R 41/96) vom 23. März 1998 beispielsweise entschieden, dass die Verlobte und Erbin des kurz vor der Hochzeit verstorbenen Verlobten auch nach Bestellung des Aufgebots keinen Anspruch auf eine Besteuerung wie eine Ehefrau hat. Das formale Kriterium der Eheschließung kann demnach nicht ersetzt werden durch einen gleichrangigen emotionalen Status, auch nicht kurz vor Erfüllung des formalen Kriteriums. Das Urteil des niedersächsischen Finanzgerichts vom 22. Dezember 2004 (Az. 3 K 582/03, EEF 2005, S. 1278 f.) betraf direkt ein Pflegekind, das von seiner Pflegemutter ein bescheidenes Vermögen beerbt hatte. Auch in diesem Fall entschied das Gericht, dass eine Gleichstellung nach Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz nicht geboten sei, da weder ein Verwandtschafts- noch ein Schwägerschaftsverhältnis vorliege.

Lasst mich anmerken, dass ich als Petent die Verfassungskonformität der bestehenden Rechtslage nicht in Zweifel gezogen habe; mir liegt vielmehr eine Änderung der Rechtslage am Herzen. Die Formulierung des Petitionsausschusses könnte vermuten lassen, dass sich die steuerliche Behandlung von Kindern zwangsläufig genau in der bestehenden Form aus Bürgerlichem Gesetzbuch und Grundgesetz ableiten lässt. Dem ist natürlich nicht so. Der Gesetzgeber hat durchaus eine Gestaltungsmöglichkeit. Und an diese habe ich als Petent appelliert.


Rechtsinstitut der Verwandschaft oder Schwägerschaft unabdingbar

Das zweite Argument des Petitionsausschusses ist die zeitliche Begrenzung, über die die Pflegschaft für das Pflegekind eingerichtet ist, die mit dem 18. Lebensjahr des Pflegekindes endet. Zwar schützt Artikel 6 Grundgesetz auch Pflegefamilien, aber dieser Schutz der Pflegefamilie nimmt mit Volljährigkeit des Pflegekindes sein Ende. Verwandtschaft und Schwägerschaft enden nicht, die Schwägerschaft auch nicht nach einer Scheidung.

Gegen dieses Argument des Petitionsausschusses lässt sich vortragen, dass Adoptivkinder Schenkungen und Erbschaften auch von ihren leiblichen Eltern nach Steuerklasse I versteuern, obgleich keine Verwandtschaft im rechtlichen Sinne nach der Adoption mehr besteht. Das Prinzip des Erfordernisses der Verwandtschaft oder Schwägerschaft wird also durchbrochen. Auch bleibt ein Stiefkind nach der Scheidung der Ehe ein Stiefkind des Stiefernteils, selbst wenn es bei Eheschließung der Eltern bereits erwachsen war.

Der für das Zustandekommen einer Familie zwischen Erblasser und Stiefkind erforderliche Rechtsakt, die Ehe, wurde mit der Scheidung quasi aufgehoben und dennoch besteht das steuerliche Privileg fort. Hier liegen keine Naturgesetze vor, sondern gesetzliche Fiktionen von Rechtsinstituten. So ist auch die Beendigung des Pflegschaftsverhältnisses mit der Volljährigkeit des Pflegekindes als ein rechtliches Konstrukt zu betrachten, das vom Gesetzgeber – zumindest erbschaftssteuerlich – anders gestaltet werden könnte.


Aus Mangel an Beweisen

Das dritte und letzte Argument des Petitionsausschusses ist zunächst stichhaltig. Nach dem Gleichstellungsgrundsatz nach Artikel 2 des Grundgesetzes müssten von einer Besserstellung heutiger Pflegekinder nicht nur sie selbst, sondern auch ehemalige Pflegekinder und deren Abkömmlinge profitieren. Während seit einigen Jahrzehnten die Entscheidungen der Jugendbehörden und Familiengerichte sehr gut dokumentiert sind, gilt das für weiter zurückliegende oder gar ausländische Fälle nicht.

Die Finanzbehörden sähen sich mit erheblichen Beweisschwierigkeiten konfrontiert, wenn Erben vortragen, sie selbst oder ihre Eltern seien – zum Beispiel kurzzeitig – Pflegekinder der Erblasser gewesen. Der Petitionsausschuss bezweifelt zu Recht, ob die Nachprüfbarkeit eines Pflegschaftsverhältnisses zum Erblasser stets gegeben ist, und sieht die Finanzbehörden vor kaum lösbare Probleme gestellt. Leider lässt sich für diese Konstellationen die Materialität auch nicht aus der Anzahl tatsächlicher Pflegekindschaftsverhältnisse7 ableiten, da jeder Erbe, ob Pflegekind oder Kind eines Pflegekindes oder nicht, diesen vorteilhaften Status zu haben behaupten kann.


Bestehendes Rechtsinstitut für Pflegekinder öffnen

Die Benachteiligung von Pflegekindern im Steuerrecht kann umstandslos anerkannt werden. Selbst Kinder, die im Erwachsenenalter Stiefkinder des Erblassers werden, sind bessergestellt als es seine Pflegekinder wären. Auch Adoptivkinder können von zwei Elternpaaren, den Adoptiveltern und den leiblichen Eltern, steuergünstig erben, obgleich keine Verwandtschaft zu den leiblichen Eltern besteht.

Die Beweisschwierigkeiten rühren daher, dass es kein gesetzlich verankertes, ewiges Rechtsinstitut gibt, anhand dessen sich ein steuerbegünstigter Status eines (ehemaligen) Pflegekindes ableiten lässt. Entscheidungen von Jugendämtern und Familiengerichten haben oft auch nur die Haltbarkeit bis zum Ende der Aufbewahrungsfrist der Akten. Es bedarf also eines Rechtsinstituts, das urkundlich bewiesen werden kann.

Die einfachste Gestaltung würde an das aktuell bestehende Pflegschaftsverhältnis anknüpfen. Die Beweislage ist dann in der Regel klar gegeben. Nur bei ausländischen Pflegeverhältnissen in Ländern mit schwacher Rechtsstaatlichkeit (deutscher Erblasser hat Pflegekinder im Ausland) könnten sich Beweisschwierigkeiten ergeben, die allerdings von untergeordneter Zahl sein dürften. Für diese Gestaltung müsste die Erbschaft oder Schenkung nur während der Dauer des Pflegeverhältnisses anfallen. Dies wäre zwar in jedem Fall schon ein Fortschritt, aber für eine dauerhaft bestehende Eltern-Kind-Beziehung keine wirkliche Gleichstellung von Pflegekindern.


Pflegekinder wie Stiefkinder behandeln

Der Gesetzgeber kann durchaus neue familiäre Rechtsinstitute schaffen, wie das Beispiel der Lebenspartnerschaft für gleichgeschlechtliche Paare zeigt, welche kürzlich durch die gleichgeschlechtliche Ehe abgelöst wurde. Ein neues Rechtsinstitut muss auch nicht rückwirkend den Betroffenen eröffnet werden, so konnten homosexuelle Paare eine Lebenspartnerschaft natürlich nicht rückwirkend mit dem Zeitpunkt des Kennenlernens eingehen. Entsprechend ist zu überlegen, ob für Pflegekinder ein Rechtsinstitut gefunden werden kann, dass ihre Benachteiligung aufhebt oder zumindest begrenzt.

Tatsächlich läge eine Ausweitung der Schwägerschaft auf Pflegekinder nahe. Mit der Schwägerschaft des Stiefkinds ist nicht nur die vorteilhafte Steuerklasse I im Schenkungs- und Erbschaftssteuerrecht verbunden. Weiterer Vorteil ist ein wechselseitiges Zeugnisverweigerungsrecht im Falle von Straftaten des Stiefelternteils oder des Stiefkindes (§ 52 Absatz 1 Nummer 3 StPO). Die rechtlichen Auswirkungen der Schwägerschaft sind sehr begrenzt, aber im Umfang doch gerade geeignet für die Stellung des Pflegekinds. Der Rechtsakt, die Schwägerschaft des Pflegekinds herbeizuführen, kann sich hingegen an die bereits vorhandenen Rechtsakte anlehnen, die zur Adoption führen. Da die Auswirkungen jedoch weniger tiefgreifend sind als eine Adoption, wären Vereinfachungen sachgerecht.


Schwägerschaft für das Pflegekind

Wie könnte eine mögliche Umsetzung gestaltet werden? Hierfür wären lediglich begrenzte Änderungen am Bürgerlichen Gesetzbuch erforderlich. Nachstehend skizziere ich diese Änderung (unterstrichen = neu):

BGB § 1590 Schwägerschaft

(3) Die Schwägerschaft des Kindes in Familienpflege nach § 1630 Absatz 3 zur Pflegeperson ist möglich.

(4) Die Schwägerschaft nach Absatz 3 erstreckt auf die Verwandten der Pflegeperson und die Nachkommen des Kindes. Absatz 1 Satz 2 findet entsprechend Anwendung.

BGB § 1772a Schwägerschaft zwischen Pflegeperson und Pflegekind

(1) Die Vorschriften zur Annahme eines Kindes nach §§ 1741 bis 1746, 1749, 1750, 1752, 1753, 1759 bis 1766 sowie 1767 bis 1769 und 1771 finden auf die Begründung der Schwägerschaft zwischen Pflegeperson und Kind entsprechend Anwendung.

(2) Wird die Annahme eines Kindes aus Gründen versagt, die der Schwägerschaft nicht entgegenstehen, ist auf Antrag der Pflegeperson die Schwägerschaft auszusprechen.

Ich möchte betonen, dass ich keine umfassende rechtliche Prüfung des Vorschlags vorgenommen habe und auch nicht alle Folgewirkungen hier darstellen kann (z.B. im FamFG). Aber die Intention sollte klar sein: Wir machen Pflegekinder in Familienpflege auf Antrag der Pflegeeltern zu Stiefkindern mit allen Konsequenzen in anderen Rechtsbereichen. Als Verfahren bedienen wir uns dem Adoptionsverfahren, jedoch ohne das Erfordernis einer Zustimmung der leiblichen Eltern des Pflegekinds. Auch für bereits volljährige Pflegekinder bestünde die Möglichkeit, von den Pflegeeltern als Stiefkind angenommen zu werden, und zwar entsprechend den Regelungen der Erwachsenenadoption.8


Fazit

Pflegekinder wachsen in einer typischen Eltern-Kind-Beziehung auf. Dem trägt das Schenkungs- und Erbschaftssteuerrecht keine Rechnung. Pflegekinder werden erheblich gegenüber Stiefkindern benachteiligt. Auch wenn der Anwenderkreis der erbenden Pflegekinder gering ist, erfordert es der soziale Rechtsstaat, ihre Gleichstellung zu Stiefkindern zu verwirklichen. Dies ist mit der Zuerkennung der Schwägerschaft für Pflegekinder möglich.


Endnoten

[1] Statistisches Bundesamt, Zahlen für 2017 zu Vollzeitpflege in einer anderen Familie (§ 33 SGB VIII), Daten abgerufen im April 2019 unter www-genesis.destatis.de/genesis/online, Tabelle 22517-0001, SGD-8-33

[2] § 15 Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz (ErbStG)

[3] Die Hilfen werden teilweise über das 18. Lebensjahr weitergeführt, das volljährige Pflegekind hat jedoch keine Ansprüche gegen die Pflegefamilie.

[4] Link zu meiner Petition mit der Nummer Pet 2-18-08-6113-039987: https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2017/_02/_28/Petition_70312.abschlussbegruendungpdf.pdf.

[5] Änderung des § 15 des Erbschafts- und Schenkungssteuergesetzes

[6] Der Beschluss ist hier zu finden: https://www.openpetition.de/petition/blog/erbschaftsteuer-einfuegung-eines-neuen-absatzes-1b-in-15-erbschaftsteuer-und-schenkungsteuergesetz/0 und hier: https://epetitionen.bundestag.de/petitionen/_2017/_02/_28/Petition_70312.abschlussbegruendungpdf.pdf

[7] In 2017 wurden rund 4 600 Pflegschaftsverhältnisse zu Kindern von mindestens 18 Jahren beendet (Daten vgl. En. 1).

[8] Die Annahme als Stiefkind im Erwachsenenalter könnte auch als Übergangsvorschrift ausgestaltet werden, um später nur noch die Annahme während der Dauer der Pflegeelternschaft zuzulassen.

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